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Gamerith erhielt höchste Auszeichnung des Naturschutzbundes

Margarete Frühwirth, 19.10.2015 14:44

WALDHAUSEN. Werner Gamerith, der in Waldhausen lebende Naturschützer und Autor zahlreicher Bücher, wurde vergangene Woche mit der höchsten Auszeichnung des Naturschutzbundes Österreich ausgezeichnet.

Werner Gamerith mit höchster Auszeichnung gewürdigt.
Werner Gamerith mit höchster Auszeichnung gewürdigt.

Der vielfältig engagierte Autor und Fotograf Werner Gamerith erhielt für seinen großartigen Einsatz für die Natur den Österreichischen Naturschutzpreis. Er reiht sich damit verdient in eine illustre Gesellschaft: Preisträger waren bisher unter anderem Freda Meissner-Blau, Otto König, Friedensreich Hundertwasser und Bernd Lötsch. Mit dieser Auszeichnung wurde sein Einsatz für natürliche Gärten, seine kritischen Worte zur Agrarindustrie und sein Engagement gegen die Atomenergie gewürdigt. Aktuell setzt er sich gegen die Erweiterung des Wasserkraftwerks Rosenburg im Kamptal ein. Dazu Preisträger Werner Gamerith: „Ich bin über diese Auszeichnung sehr glücklich, nicht nur als Anerkennung meines jahrzehntelangen Engagements. Die Erhaltung einer gesunden Umwelt und einer artenreichen Natur, aktuell die Abwehr eines von der EVN geplanten neuen Kraftwerks in einem Flussheiligtum bei Rosenburg am Kamp, erhält dadurch mediale Aufmerksamkeit.“

Werner Gamerith – Pionier der Ökologiebewegung

Als Vordenker des Wertewandels verstand es Werner Gamerith in der Zeit des Wirtschaftswunders und des umfangreichen Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln, die Idee des ökologischen Landbaus einer breiten Bevölkerung zugänglich zu machen. Sein Einsatz für bedrohte Naturjuwele reicht von den Donauauen bis ins Lechtal. Werner Gamerith widmet sich sehr intensiv dem naturnahen Gärtnern. Das Wissen darum eignete er sich unter anderem durch Erfahrung im eigenen Garten an. So entstand bereits 1983 der erste „biologische Schwimmteich Österreichs“ in Waldhausen.  Als Verteidiger des Kamptals sind ihm aktuelle Pläne, den Kamp in Niederösterreich (für eine geplante Vergrößerung des bisher kleinen Stauwerkes bei Rosenburg) um weitere 1,5 Kilometer zu berauben, ein Dorn im Auge. Der Naturschützer ruft deshalb erneut zum Widerstand auf. „Werner Gamerith versteht es, Natur- und Landschaftsschutz in den Köpfen und Herzen der Menschen zu verankern und ökologisches Verständnis zu wecken. Dafür gebührt ihm die höchste Auszeichnung, die der Naturschutzbund zu vergeben hat,“ gratulierten Naturschutzbund-Präsident Roman Türk und Geschäftsführerin Birgit Mair-Markart. Die Laudatio hielt Berd Lötsch.

INFO

Mit dem Österreichischen Naturschutzpreis werden Personen geehrt, die bei der Darstellung umweltwissenschaftlicher Themen ein hohes sachliches Niveau aufweisen, gesellschaftspolitisch wirksame Themen behandeln und Zivilcourage zeigen. Vor allem außergewöhnlich engagierte und mutige journalistische Tätigkeit, couragiertes Auftreten in der Öffentlichkeit sowie nachhaltiger Einsatz für Natur und Umwelt werden mit dieser Auszeichnung gewürdigt.

Österreichischer Naturschutzpreis 2015

Laudatio von Bernd Lötsch. 

(Bernd Lötsch ist Biologe und einer der Wegbereiter der österreichischen Ökologiebewegung.)

„Es gibt Menschen, denen ist die Naturliebe in die Wiege gelegt. Ich halte es für eine Begabung. Dies gilt in hohem Maße für den heute von uns zu Ehrenden. Hören wir ihn selbst: „Die Schule habe ich nie besonders geliebt, wohl aber den weiten Schulweg vom Stadtrand Eggenburgs in die Volksschule. In Wäldern und Sumpfwiesen, an Hecken und Bächen lockten kleine Abenteuer - die Bäche voller Forellen und Krebse, selbst die Getreidefelder voll der schönsten Blumen, von denen ich den Eltern manchmal einen Strauß brachte. Als Dank, dass sie die Angst um mich vor der russischen Besatzung überwanden und meine Streifzüge erlaubten. Die Notzeiten und Unterernährung erschwerten meine Kindheit kaum, sondern prägten mir die Erfahrung, dass Glück und innerer Reichtum nicht so sehr mit Materiellem zusammenhängt, als zum Beispiel mit einer naturnahen Umgebung als lebendige Seelennahrung. Meine Kindheitserinnerungen sind voll von frohen, bunten Bildern aus der Natur und nicht davon, dass manch ein Wunsch, etwa nach einem Eis oder einem Taschenmesser, oft lange auf seine Erfüllung warten mußte.“

Der studierte Kulturtechniker, Kunstgewerbler und Meisterfotograf, Sachbuchautor, Naturgarten-Pionier und erfolgreiche Verteidiger des Kamptales und des Lechflusses, Werner Gamerith, ist bereits Träger des Konrad Lorenz-Staatspreises, den die Umweltminister zu Lebzeiten des Nobelpreisträgers jährlich für „Überragende Leistungen im Kampf für das Unwiederbringliche“ vergaben.

Werner Gamerith erhielt den Preis damals mit seiner Frau Tatjana, der natursensiblen Malerin, im Juni 1984, unter dem damaligen Themenschwerpunkt „Ökologie und Kunst“ (zu gleichen Teilen mit dem Maler und Liedermacher Arik Brauer und dem Ökologen und Dichter Hubert Weinzierl, der als Präsident des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland zugleich der angesehenste parteifreie Umweltpoliker der Bundesrepublik war und als Umweltgewissen bis heute ist.

In der Staatspreis-Begründung der Jury hieß es damals: “Das Künstlerpaar Gamerith hat durch sein Werk und sein unangepaßtes Vorleben den Inbegriff einer „Ländlichen Gegenkultur“ eines „Neuen Regionalismus“ verwirklicht. Eine Zweipersonen-Avantgarde gegen den Hauptstrom einer alles nivellierenden globalen Urbanzivilisation. Das Leben der beiden ist ein schöpferischer Akt, ihr Alltag wurde zum Gesamtkunstwerk.“

Werner Gamerith war es aber auch, der uns schon vor vier Jahrzehnten durch seine Schriften und Rundfunksendungen (gemeinsam mit Gernot Graefe) auf den biologischen Landbau als umfassende Alternative aufmerksam machte: in einer Zeit, in der chemiefreies Wirtschaften gerade von Agrarwissenschaftlern und Bauernfunktionären einmütig als gefährliche Illusion bekämpft wurde - als Weg in uferlose Schädlingskalamitäten,Missernten und Welthunger oder zumindest als okkulter Kompostmythos lächerlich gemacht und als Konsumentenbetrug  diffamiert wurde.

Werner Gamerith und ich lernten uns 1974 auf einer Österreichischen Pflanzenschutz-Tagung kennen. Das war aber kein Treff artenschutzbeflissener Botaniker. Als „Pflanzenschutz“ galten damals fast ausschließlich die mehr oder weniger giftigen Sprühnebel der Agrochemie. Die Vorträge provozierten mich. Ich war zwar erst knapp vor einem Jahr von Eberhard Stüber an das Wiener Naturschutz-Institut geholt worden, hatte aber als Pflanzenphysiologe und Biochemiker Belastungsmaterial genug gesammelt und stürzte mich in die Diskussion wie in eine Schlacht. Unerwartete Unterstützung kam von der anwesenden Jägerschaft, die es Leid war, begiftetes Fallwild am Ackerrand und verendete Greife einzusammeln. Werner war gefasster - schließlich kam er von der Universität für Bodenkultur. Aber er teilte meine Bedenken: ein Keim für unsere spätere Freundschaft; denn nichts verbindet mehr als gemeinsame Gegner. In einem seiner frühen Vorträge sagte er: „Ich absolvierte mein Studium mit Interesse und Fleiß, wenngleich die Bodenkultur noch nicht so ökologisch war, wie sie es heute immer mehr wird.“ In der Praxis erlebte man gerade das Zeitalter der Ausräumer und Begradiger, in so manchem Ferienjob wurde ich Zeuge amtlicher Landschaftsverstümmelungen. Gegen die allgemeine Denaturierungstendenz schien ich als Einzelner machtlos. Um 1960, noch vor Rachel Carsons Buch „Der Stumme Frühling“, einem der ersten Vorläufer der Ökologiebewegung, verstand kaum jemand meinen Gewissenskonflikt.

Da lernte ich in der Malerin Tatjana doch jemanden kennen, der mich verstand. Als Kind wollte sie sogar Bäuerin werden. Ihr hohes Talent als Tochter zweier Maler verlangte aber eine künstlerische Ausbildung. Wir verstanden und wir liebten uns, aber keiner glaubte an eine längere Bindung, weil sie zu ungewöhnlich war (Tatjana hatte einen erwachsenen Sohn, fast in Werners Alter). Die Idee war verrückt, wir selber hatten manchmal Zweifel. Heute kann ich sagen, dass dieser gemeinsame Traum und seine Verwirklichung es vor allem waren, der nicht nur die zwei Jahrzehnte Altersunterschied unwichtig werden ließ, sondern auch meine Frau, die multiple Sklerose hat, beinahe gesund gemacht hat. (Heute ist Tatjana 96 und malt, obwohl seit einiger Zeit sehbehindert, weiterhin beeindruckende Bilder).

Der eigentliche Mediator unserer Freundschaft war dann Peter Weish, der mich in das zauberhafte Gamerith Gehöft in den Bergen bei Waldhausen im Strudengau entführte, wo vor nun schon 40 Jahren so viele ökologische Alternativen - von denen wir nur redeten - bereits im Praxistest funktionierten: Vom giftfreien Selbstversorger-Garten bis zu Gernot Geaefes Trestern Kompost-Humustoilette, bald auch Solarthermik und ab 1983 der erste biologische Schwimmteich Österreichs, gesäumt von den schönsten Sumpf-  und Wasserpflanzen, welche ihn sauber hielten. Gelegen an einem Südhang mit Ausblick bis zur Alpenkette - das Ganze getragen von der kunstvollen Stoffdruck-Werkstätte, umgeben von Tatjanas Porzellanmalerei, Ölgemälden, Werners Musikinstrumenten und seinem improvisierten Fotostudio, wo die beiden aus dem Naturgarten berührend schöne, asiatisch anmutende Blumengestecke im Wandel der Jahreszeiten arrangierten: für die Umschlagseiten einer erlesenen deutschen Frauenzeitschrift. Bei all dem nicht zu vergessen: das glückliche Geflügel (tagsüber im Freigehege)und die selbstbewussten Katzen, die oft vor dem großen Aquarium in der warmen Stube kein Auge von den Fischen ließen. „Fernsehen für die Katzen“, wie es Werner nannte. 

In dieser Atmosphäre gewann ich Werner Gamerith als Co-Autor der geplanten agrar-politischen Streitschrift des ÖNB für eine Ökologisierung der Landwirtschaft, die noch im selben Jahr am Österreichischen Naturschutztag 1976 als „Villacher Manifest“ beschlossen wurde. Jeder von uns hatte etliche der noch seltenen Biobauern besucht, um uns ein Bild ihrer Methoden, Betriebserfolge und Überzeugungen zu machen. Es brauchte damals in der Hochblüte der Agrochemie wohl Pioniergeist und Querköpfigkeit, um mit erhöhtem Arbeitseinsatz gegen den Strom, oft auch gegen die Sticheleien der Nachbarn, sogar gegen die Aufsässigkeit von Lebensmittelbehörden zu wirtschaften. Natürlich ging es im Villacher Manifest auch um Konsumentenschutz vor Rückständen, aber viel umfassender um organische Bodenverbesserung, Grundwasserschutz, Vielfalt und Erlebniswert der Kulturlandschaften, biologische Selbstregulation durch Nützlinge, erhöhte Widerstandskraft von Pflanze und Tier, gerechte Erzeugerpreise zur Kompensation von Mehrarbeit, Arbeitskräftebindung im ländichen Raum und damit Erhaltung von „Bäuerlichkeit“ versus chemisierter Agroindustrie.

Kein geringerer als der ehemalige Landwirtschaftsminister und Vizekanzler Dr.Josef Riegler erklärte wiederholt öffentlich, das Villacher Manifest des Österreichischen Naturschutzbundes sei für ihn die entscheidende Wende im agrarpolitischen Denken in Richtung auf die Gründung seines Ökosozialen Forums gewesen. Zur Zeit des ÖNB-Manifestes stritten wohlmeinende Kenner, ob es in Österreich 70 oder vielleicht 80 anerkennungsfähige Biobetriebe gäbe. 30 Jahre später waren es 23.000 auf über 10 Prozent der Agrarfläche. Damit war Österreich führend in der EU.

Doch wie stand es vor 40 Jahren um hunderttausende Hobbygärtner, auch Gartenämter der Gemeinden? Selbst hier, ohne ökonomische Ertragszwänge herrschte die Chemie, wurden Werkzeughütten zu Giftdepots, schrieben die Ämter den Kleingärtnern toxische Herbstspritzungen mit dem teuflischen Gelböl(ortho-Kresol) vor, galt vielerorts das Diktat von Richtschnur, Herbizid und Schneckengift.

Da erinnere ich mich an den Besuch des damals neu bestellten niederösterreichischen Landesrates für Umwelt und Finanzen, Wolfgang Sobotka, in meiner Museumsdirektion. Er litt unter seinem Ressort zwischen Industrieschloten, Sondermülldeponien, Feinstaub und Lärmproblemen, machtvollen Lobbies, die gegen Umweltauflagen revoltierten. Ein permanentes „Gift und Galle-Thema“. Wo bleibe Ökopolitik mit Beliebtheit durch positive Visionen? Dem Manne kann geholfen werden, schoss es mir durch den Kopf. Die Naturgarten-Idee mit Werner Gamerith als Berater - ihr damals überzeugendster Vertreter in Wort und Bild  (vor allem auch  durch die Praxis in seinem Gartenparadies am Grünberg, Dörfl 16, bei Waldhausen)  sollte Sobotka besuchen.

Die Saat ist aufgegangen: „Natur im Garten“ wurde in diesen zwei Jahrzehnten die erfolreichste Umweltinitiative auf freiwilliger Basis im größten Bundesland Österreichs. Sie blüht und gedeiht, begleitet von Werner Gameriths unzähligen Schriften und Bildstrecken (zum Beispiel imServusÖsterreichMagazin), seinenLichtbildvorträgen (landauf, landab), seinen Büchern wie GEHÖLZE im naturnahen Garten(2007), TIERE im nat. Garten(2006), NATURGARTEN. Der sanfte Weg zum Gartenglück (2000,2001) und NATURGARTEN, Glück und Geheimnis (2013). Mittlerweile unterschrieben über 100 Gemeinden ein verpflichtendes „Bekenntnis zum Verzicht auf Pestizide“!

Wen wundert's, daß ihm Niederösterreich auch seinen renommierten Josef Schöffel Preis verlieh?Werner Gamerith durchschaute früher als die meisten Zeitgenossen auch die eingebildete Energiekrise unserer tumben Verschwendungswirtschaft und war daher sehr rasch imstande, die geplante Ersäufung des Mittleren Kamptales für einen unnötigen hydroelektrischen Speicher auch energiepolitisch in Frage zu stellen (1984). Sein Engagement für den Tiroler Lechfluss und die großartigen Menschen, die er hier traf, war die konsequente Weiterführung. Nach bewegenden Ton-Dia-Serien und bildschönen Büchern über  KAMP- und LECHTAL (1997) war Gamerith natürlich in der Aubesetzung ganz vorne dabei. Es folgten seine zehnjährige Arbeit für die Donau Auen als Gast unseres Nationalpark-Instituts. Der Prachtband über diesen nunmehr geschützten Dschungelkorridor zwischen Wien und Hainburg (Lobau bis Marchmündung)  ist eine Krönung seines bis dahin geschaffenen Oeuvres: DONAUAUEN(1999). Es folgten die herrlichen Bildbände über die WACHAU (2003) und ÖTSCHERLAND (2009). Da der Mittlere Kamp durch eine geplante Vergrößerung des bisher kleinen Stauwerkes bei Rosenburg schon wieder beidufrig um weitere 1,5 wunderschöne Uferkilometer beraubt werden soll, ruft Gamerith erneut zum Widerstand. Der lächerlich geringe Stromgewinn rechtfertigt nicht die Eingriffsschwere - wäre nur wieder ein Stück Verarmung - meint er als Anwalt des ländlichen Raumes.  Er hat bewiesen, dass effiziente Energienutzung und die Beachtung ökologischer Kreisläufe keinen Komfortverzicht bedeuten müssen und dass die Selbstversorgung auf kunsthandwerklicher und gärtnerischer Basis ein hochkultiviertes Dasein ermöglichen kann.

Werner Gamerith ist für mich einer der überzeugendsten Vordenker und Praktiker des Wertewandels an der Jahrtausendwende. Seinen Erfolg sehe ich darin, seiner Zeit voraus zu sein und dennoch bereits verstanden zu werden.“ 

  


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