„Dieser Krieg ist eine einzige Katastrophe. Da ist nichts heilig!“
PICHL. Vael Kritta ist einer der neun syrischen Asylbewerber, die im Pfarrhof untergebracht sind. Was er in seiner Heimat gemacht hat. Auch wenn er Englisch-Lehrer war, beantwortet erdie Frage auf Deutsch: „Englisch-Lehrer“. Auch seine Kollegen antworten auf Deutsch: Bäcker, Tischler, Apotheker, Mechaniker, Jurist, Studenten.
Zwei Mal in der Woche wird Deutsch gelernt (siehe Infokasten). „Die Pichler haben uns sehr großzügig aufgenommen. Sie sind alle sehr nett und wir sind ihnen sehr dankbar. Wir hoffen nun auf ein schnelles Verfahren. Es dauert alles sehr lange“, erzählen die Asylbewerber. Sie sind froh, dass sie in Sicherheit sind. Sie haben aber Angst um ihre Familien. „Ich war schon drei Jahre im Untergrund, weil ich nicht Kriegsdienst leisten wollte. Die Situation in Syrien wird immer schlimmer. Dieser Krieg ist eine einzige Katastrophe. Da ist nichts heilig. Nicht nur der IS mordet. Das syrische Regime tötet, die Freie Armee tötet, es kommen so viele unschuldige Zivilisten ums Leben“, erklärt Kritta, der bei dem Gespräch auch als Übersetzer fungiert.
Omar Adnan besaß eine Apotheke in Aleppo. Auf seinem Handy zeigt er Fotos nach einem Luftangriff: „Es blieb nichts als ein Trümmerhaufen übrig. Es wird gegenseitig bombardiert. Auf einen getöteten Soldaten, egal ob von IS, der Freien Armee oder dem Regime oder sonstigen Gruppen, kommen viele unschuldige Zivilisten. Ich hoffe, dass mein Asylverfahren schnell durch ist und ich meine Familie nachholen kann.“ Die Angst um die Familie ist bei allen groß. „Ich weiß, dass der Vorwurf kommt, dass wir die Familie im Stich gelassen haben. Wenn wir in Syrien geblieben wären, dann wären wir auch nicht bei der Familie. Wir müssten irgendwo kämpfen. Und es gibt hier so viele Gruppen. Man weiß nicht, wer für wen oder gegen wen kämpft. Es ist ein Chaos. Die Menschen haben tagelang keinen Strom, kein Wasser. Die Menschen leiden“, erzählt Kritta.
Lange Flucht
Auch wenn sich die neun erst in Pichl kennen gelernt haben, sind sie alle über die Berge in die Türkei und von dort mit dem Schiff nach Griechenland. „Ich war mit 50 Personen auf einem Schiff für 25 Personen und das für mehrere Tage. Mehr will ich nicht sagen“, sagt Kritta. Über Griechenland ging es via Mazedonien, Kosovo, Serbien nach Ungarn. Immer wieder hielten die Schlepper sie hin. Adnan musste 20 Tage in Mazedonien in einem Waldstück ausharren: „Dann sind wir losspa-ziert. Die Schlepper haben nur das Geld genommen und nichts getan.“ Auch der Kontakt mit der Polizei am Balkan oder Ungarn war nicht gerade der beste. „Sie haben mich wie einen Verbrecher behandelt und wichtige Dokumente abgenommen. Gekümmert hat sich niemand. Flüchtlinge, die krank waren oder Medikamente benötigten, wurden nicht behandelt“, sagt Kritta. Die anderen nicken zustimmend und senken den Kopf. Immer wieder erzählen sie, dass sie über weite Strecken zu Fuß unterwegs waren. „Ich ging mit zwei anderen durch den Kosovo immer den Schienen entlang“, erzählt Adnan. Sie sind froh in Österreich zu sein. „Hier wurden wir gut behandelt. Wir wollen die Sprache lernen und unsere Familien nachholen. Wir hoffen, dass die Verfahren schnell über die Bühne gehen. Es dauert einfach alles sehr lange“, so die Asylbewerber. Was Kritta betroffen macht, dass viele Europäer nach Syrien fahren, um zu kämpfen: „Das ist kein heiliger Krieg. Es wird gemordet. Menschen werden wegen nichts umgebracht. Was ist daran heilig?“<
DIE SITUATION
Dem einstimmigen Beschluss des Pfarrgemeinderates folgte im Vorfeld eine breite Information der Bevölkerung durch persönliche Gespräche, aber auch durch eine Informationsveranstaltung, bei der von der Caritas-Flüchtlingshilfe, Pfarr-Assistentin Elisabeth Lamplmayr und Stefan Schlager (Erwachsenenbildung der Diözese Linz) der Bevölkerung Rede und Antowrt gestanden wurde. Gleichzeitig adaptierten Freiwillige die beiden Wohnungen im Pfarrhof. Die dazu notwendigen Möbel, Geschirr, Bettwäsche, Bettzeug spen-dete die Pfarrbevölkerung und große finanzielle Spenden machten einen Geräteankauf und eine finanzielle Anfangsunterstützung durch Lebensmittelgutscheine und mehr möglich.Ende November kamen neun Flüchtlinge. „Unsere Asylwerber versuchen hier in Pichl anzukommen und sich zu integrieren – Fußballspielen gemeinsam mit der Feuerwehr, aber auch mit Jugendlichen, mit einigen Familien wurde gemeinsam Silvester im Pfarrheim gefeiert oder gemeinsame Spaziergänge werden unternommen. Vael Kritta hielt in der Schule einen Vortrag über Syrien“, erklärt die Pfarrassistentin. Silvia Frühwirt und Gerhard Kürner, zwei ehrenamtliche Mitarbeiter, kommen zwei Mal in der Woche, um mit den Asylbewerbern Deutsch zu lernen. Die Motivation der Männer ist hoch. „Es ist ein Miteinander, das vieles ermöglicht, das Grenzen abbaut. Immer wieder ergreifen Menschen unserer Pfarre die Initiative und besuchen unsere Asylwerber, versuchen mit ihnen das zu üben, was sie im Deutschunterricht gelernt haben. Für mich kann ich sagen, dass es ein gegenseitiges Lernen ist – ein Teilhaben-Lassen an der Kultur, an dem Land, an einer anderen Religion, auch an der Flucht und der Angst, aber auch an der Sorge um ihre Familien, die noch in Syrien sind und oft tagelang ohne Strom, Heizung und Wasser ausharren müssen“, erzählt die Pfarrassistentin.