Ein geschichtsträchtiger Ort in Linz und eine Warnung für die Gegenwart
LINZ. Die Arge für Obdachlose feiert heuer 40-jähriges Bestehen. Beim Festakt war auch ZIB-Anchorman Tarek Leitner zu Gast, der Bemerkenswertes über die Linzer Bischofstraße zu erzählen hatte, in der sich der Trödlerladen der Arge befindet. Den Bogen in die Gegenwart schlug Charlotte Herman, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Linz.
Die Arge (Arbeitsgemeinschaft) für Obdachlose feiert dieses Jahr 40 Jahre unermüdliches Engagement für wohnungslose Menschen. „Rückblickend kann man sagen, dass die Arge in 40 Jahren mit bescheidenen Mitteln viel bewegen konnte“, fasste es Michael Mooslechner, der viele Jahre als kaufmännischer Geschäftsführer des Vereins tätig war, zusammen. In die Zukunft blickte Marion Eberl, sie leitet die Arge derzeit gemeinsam mit Heinz Zauner. Wenn Zauner, ein Urgestein der Linzer Sozialarbeit, seine Pension antritt, wird Eberl seine Agenden übernehmen. „Die Herausforderungen sind jetzt anders als vor 40 Jahren, sie sind aber nach wie vor groß. Wir werden weiterhin unseren Beitrag zur Bekämpfung von Armut und Wohnungslosigkeit leisten“, sagte Eberl.
„Geschichtsträchtige Bischofstraße“
Die Arge nahm das Jubiläum auch zum Anlass, sich mit der Geschichte der Linzer Bischofstraße zu beschäftigen, in der sich heute der Arge Trödlerladen befindet. ORF-Moderator Tarek Leitner trug im Zuge der Festveranstaltung zum 40-Jahres-Jubiläum vor, warum er die Bischofstraße für ein „Brennglas der Geschichte“ hält. Leser seines 2020 erschienenen Buchs „Berlin – Linz. Wie mein Vater sein Glück verbrauchte“ kennen die Antwort bereits.
Ein Zeitzeuge und ein Täter
Die Linzer Bischofstraße spielte für drei Familien eine wichtige Rolle. Zum einen war es das Zuhause von Tarek Leitners Vater, Alfred Leitner. Im Jahre 1938 fuhr ein damals zwölfjähriger Alfred mit seinem Papa Rudolf von Linz nach Berlin und retour, um ein Auto, Marke DKW, zu holen. Auf der Rückfahrt durfte der Junge auch selbst ans Steuer. Als 19-Jähriger, im Jahr 1945, floh Alfred als Deserteur mit einem Waffenrad von Berlin nach Linz, auf derselben Reichsautobahn, die er als Zwölfjähriger befahren hatte.
Im selben Haus, der Bischofstraße Nummer 3, war auch die Familie Eichmann zuhause. Der aus Solingen stammende Karl Adolf Eichmann war für eine Stelle als Buchhalter 1914 nach Linz gezogen. Sein Sohn Otto Adolf Eichmann wuchs zum SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann heran, der mitverantwortlich für die Ermordung von sechs Millionen Juden war.
Eine jüdische Familie
Nur zwei Häuser weiter war das Geschäft der jüdischen Familie Schwager. Deren Zuckerwarenladen fiel als eines der ersten jüdischen Geschäfte in Linz der „Arisierung“ zum Opfer. Zwei Mitglieder der Familie Schwager standen der Israelitischen Kultusgemeinde in Linz vor, Benedikt (ab 1906) und Wilhelm (ab 1949). 1938 musste die Familie vor den Nazis nach Israel fliehen. Kurioserweise existiere, so Tarek Leitner, ein gemeinsames Foto von Adolf Eichmann senior und Benedikt Schwager von einer Veranstaltung.
Drei Familien, drei Söhne – einer wird in der Zeit des Nationalsozialismus zum Haupttäter, einer zum Opfer, ein anderer wird Zeitzeuge und nicht – wie so viele andere – zum Mitläufer.
Ein Jäger
Heute ist in der Bischofstraße 7, dem Gebäude in dem einst der „Zuckerlschwager“ zu finden war, der Arge Trödlerladen. Etwa 200 Meter entfernt befindet sich eine Wirkstätte von „Nazi-Jäger“ Simon Wiesenthal in Linz: Das „Jüdische Zentralkomitee für die US-Zone in Österreich“, das er von Linz aus leitete, war in der Landstraße 15 angesiedelt. Wiesenthals Recherchen führten zur Festnahme vieler Nationalsozialisten, auch zur Ergreifung von Adolf Eichmann in Argentinien, womit sich der Kreis und die Bezeichnung als „Brennglas der Geschichte“ final erschließt.
„Wachsam sein, ganz wichtig“
Charlotte Herman, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in Linz, erklärte im Anschluss an Tarek Leitners Vortrag, dass ein Drittel der damals in Linz lebenden Juden von den Nazis ermordet wurden. Zu Beginn der Judenverfolgung hätten sich viele noch gedacht, dass es so schlimm schon nicht werden würde, so Herman, „und diesen Fehler sollte man heute nicht mehr begehen. Wachsam sein, ganz wichtig“.
Sie sagt es in Linz, zwei Tage bevor im 15 Autominuten entfernten Steyregg Rechtsextreme ein „Kulturfest“ veranstalten, zu dem Gäste geladen sind, die von Personen aus dem rechtsradikalen Spektrum verehrt werden und deren Werke in Deutschland teilweise als antisemitisch und jugendgefährdend eingestuft sind. Die Identitären haben eingeladen und gekommen ist unter anderem die Junge Alternative Brandenburg (JA Brandenburg), die der Verfassungsschutz Brandenburg dieses Jahr als gesichert rechtsextremistische Bewegung hochgestuft hat.
Mehr zum Thema Rechtsextremismus und zu den Identitären: https://www.tips.at/nachrichten/ooe/wirtschaft-politik/613091-rechtsextremismus-forscher-andreas-peham-man-hat-zu-lange-zugesehen
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