ST. PÖLTEN. Nach knapp 25 Jahren als Landeshauptmann hat Erwin Pröll das politische Parkett verlassen. In seiner letzten Rede im Landtag zog das Polit-Urgestein nochmals Bilanz.
Machtwechsel in Niederösterreich: Bei der heutigen Landtags-Sondersitzung nahm Erwin Pröll seinen Hut als Landeshauptmann. Johanna Mikl-Leitner ist im Anschluss daran zur ersten Landeshauptfrau des größten Bundeslands Österreichs gewählt worden.
„Heute steige ich aus dem Führerstand“
Pröll nutzte seine letzte Sitzung, um Bilanz über seine politische Tätigkeit zu ziehen. „Heute stehe ich ein letztes Mal hier, weil ich das Staffelholz des Landeshauptmannes an meine Nachfolgerin übergeben werde. Es ist ein besonderer Moment für mich, ein besonders emotioneller Augenblick. Hier endet eine lange Reise im Dienste des Landes“, eröffnete Pröll seine Abschiedsrede. Diese Reise dauerte in Summe 37 Jahre, knapp 25 als Landeshauptmann. „Heute“, so der Landeshauptmann außer Dienst, verlasse er den Führerstand über Niederösterreich, „aber nicht in Wehmut, sondern in unglaublicher Dankbarkeit, mit Freude und in großer Demut. Heute steige ich aus diesem Führerstand.“ In seiner Abtrittsrede ging er auf die großen Veränderungen des letzten Vierteljahrhunderts ein. Mit dem Beginn der politischen Karriere kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bis hin zur Osterweiterung der Europäischen Union habe sich in seiner Amtszeit sehr viel verändert. „Ich sage das deshalb, weil ich darauf hinweisen möchte, dass keine zweite Region in Europa durch diese Umwälzungen so betroffen war wie unser Niederösterreich. Wir sind vom Rand Europas in die Mitte gerückt.“ Bei Prölls Amtsantritt 1992 war es sein Anspruch das Land zu öffnen und zu erneuern. „Das Ziel war einfach. Das Land so zu gestalten, dass es unverwechselbar, selbstbewusst und eigenständig ist. Aus diesem Zukunftsbild von damals ist ein Gegenwartsbild von heute geworden. Dieses Bild ist nicht fertig. Es kann und darf aber nie fertig sein, denn es muss zur gegebenen Zeit weitergezeichnet werden. Dieses Bild hat an Schärfe, Kontur und Strahlkraft gewonnen. Dieses Bild Niederösterreichs ist bunter und farbenprächtiger. Das ist die Leistung des gesamten Heimatlandes.“
„Moralfreie Zonen“
Im Hinblick auf die aktuellen Änderungen der Gesellschaft mahnte Pröll jedoch mehr Anstand ein. „Wir haben hart gearbeitet und an die Chancen dieses Landes geglaubt. Fortschritt wird heute oft kritisch gesehen. Denken wir an manche moralfreie Zonen in unserer Gesellschaft. Wir sollten uns auf das Wesentliche konzentrieren. Fortschritt ist gut und nötig, aber nur dann erfolgsversprechend, wenn ein richtiges Maß gefunden wird.“ Dies kann durchaus als Seitenhieb auf die teils sehr kontroversen Diskussionen rund um Erwin Pröll vor allem in den Sozialen Medien verstanden werden.
Föderalismus vor Zentralismus
„Schnelle Verwaltung, modernes Bürger- und Wirtschaftsservice, leistungsfähige Infrastruktur, verlässliches politisches Umfeld, hohe Lebensqualität, tausende qualifizierte Arbeitnehmer“, mit diesen Stichworten unterstrich der Ex-Landeshauptmann bei seiner letzten Landtagssitzung sein politisches Handeln. „Entscheiden, Handeln, mutig Sein, das war die Devise, warum wir uns so positionieren konnten, wie wir uns positioniert haben“, erklärte der Radlbrunner und erteilte zugleich Zentralisten eine klare Absage.
„Ohne Kunst geht es nicht“
Aber auch in den Bereichen Bildung, Kunst und Kultur sieht der langjährige Chef der Volkspartei Niederösterreich einen Fortschritt. „Wer heute in Niederösterreich eine Ausbildung und Karriere haben will, muss nicht mehr weg, sondern kann hier bleiben. In meiner Jugend habe ich davon geträumt. Dafür haben wir gekämpft und all unsere Kraft eingesetzt“, so sein Fazit. Das gelte auch für die Kultur. „Die offensive Kulturpolitik hat für viele Diskussionen gesorgt, auch in diesem Haus“, unterstrich Pröll. „Ohne Kunst und Kultur geht es nicht“, merkte er aber zugleich an. Denn seiner Definition nach gehe Meinungsvielfalt mit der Kultur einher.
Große Einstimmigkeit im Landtag
In seiner Ära als Landeshauptmann wurden 98 Prozent der 55.000 Regierungsbeschlüsse einstimmig gefällt. „Ich möchte dieses Vermächtnis gerne weitergeben. Dieses Vermächtnis darf nicht durch verbale Attacken kaputtgemacht werden. Bewahren wir uns diesen Geist der Zusammenarbeit auch am Weg in die Zukunft. Denn nur dieser Geist ist die Garantie dafür, dass Niederösterreich weiter blühen und gedeihen kann“, so der scheidende Landeschef. „Ich möchte mich für diese Zusammenarbeit herzlich bedanken, bei allen im Landtag und allen Regierungsmitgliedern. Ich habe in 37 Jahren mit 41 Regierungsmitgliedern aus unterschiedlichen Parteien zusammengearbeitet. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich trotz aller Diskussionen diesen Regierungsmitgliedern heute noch ehrlich ins Auge schauen kann.“
„Nehme in einem der hinteren Wagen Platz und fahre mit“
Nun werde er aber Abschied nehmen, die Reise beenden und sich von der Kommandobrücke verabschieden. „Ich mache das mit einem guten Gefühl, weil Johanna Mikl-Leitner diese Kommandobrücke besteigen wird. Sie kommt aus diesem Land, kennt dieses Land und brennt für dieses Land. Sie hat auch den richtigen Draht zu den anderen Parteien. Sie hat den festen Willen für Zusammenarbeit und weiß, was es heißt zu führen und zu entscheiden. Liebe Hanni, ich wünsche dir für diese Aufgabe alles Gute. Viel Glück.“
Zum Abschluss bedankte sich Pröll noch bei den Niederösterreichern für das große Vertrauen bei den Landtagswahlen und schloss seine Rede: „Ich habe nun die Endstation dieser Dienstreise erreicht. Eine Reise, die mehr als die Hälfte meines Lebens geprägt hat. Eine Reise mit einem einzigen Ziel: Niederösterreich. Wenn ich jetzt aussteige, bleibe ich nicht am Bahnsteig stehen, sondern werde in einem der hinteren Wagen Platz nehmen und mitfahren. Ich bitte euch: Gebt alles für das Land.“
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