Ein Small-Player aus Kalifornien lässt die Hightech-Konkurrenz aus Europa ziemlich alt aussehen. Wir haben den Tesla Model S ausführlich unter die Lupe genommen. Unser jungfräulich weiß lackiertes S Topmodell soll in Wien abgeholt werden. Das wären nach Adam Riese gute 140 Kilometer bis Linz. Na hoffentlich geht das gut. Unsere bisherigen Test-Stromer wären da wahrscheinlich irgendwo auf der A1 bei St. Valentin leergesaugt ausgelaufen. Nichts wie rein in die gute Stube. Wir entern den lichtdurchfluteten Innenraum. Das zurückgenommene Design, die super Verarbeitung, feine Materialien und ein Riesen-iPad auf der Mittelkonsole - so stellt sich der kleine Maxi das iCar von Apple vor. Einzig die Bedienhebel am Lenkrad erinnern an alte Auto-Hardware - die stammen nämlich von Tesla-Partner Mercedes. Inklusive des leidigen Licht-Blink-Scheibenwisch-Intervall-Multifunktionshebel. „500 Kilometer Reichweite“ scheint am riesigen Display auf. Das stimmt zuversichtlich. Wenn nur die Hälfte dann auch tatsächlich unterm Strich am Ende des Tages auf dem Kilometerzähler übrig bleibt, wäre das schon sehr beachtlich. Aber unsere bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass Reichweitenanzeigen meistens höchst relativ sind. Schalten wir lieber vorsorglich die Klimaanlage aus und öffnen wir das riesige Glasschiebedach per coolem Fingerwisch am Touchscreen. Starten wir los. Tja, starten ist gut. Der Tesla ist nämlich sofort abfahrbereit, wenn man ihn mit dem richtigen Schlüssel - einer hübschen Mini-Ausgabe des Autos - betritt. Da muss man nicht noch einen sinnlosen START-Knopf zusätzlich drücken um loszulegen. Fahrhebel auf D und losgehts. Sämig nimmt das Auto Fahrt auf. Wir entschweben dem Tesla-Stützpunkt. Da gibt's kein Klappern oder Knarzen - der Tesla ist so weit von einer Bastelarbeit entfernt wie Atom- von der Wasserkraft. Rauf auf die A1. Na dann wollen wir mal - Kickdown! Waaaaaahhhhhhnsinnnnn! Das Ding geht ab wie von der Tarantel gestochen! Sicher, die 421 PS und 600 Newtonmeter ab Null der Performance-Vesion sind eine Macht, aber das was dieses Elektroauto da aufführt ist auf dem Papier einfach nicht nachvollziehbar. Dieses absolut geräuschfreie Losbeamen (4,2 Sekunden auf Hundert) raubt einem fast den Atem! Anfänglich ist es schlicht unmöglich, nicht ununterbrochen in diesem Drehmomentpool zu plantschen. Pah - pfeif auf die 500 Kilometer! Am Schönsten sind die brutalen Durchzugsorgien von 80 auf 120. Tesla gibt einen Wert von 2,8 Sekunden für diese Übung an - wir haben es nicht nachgemessen, glauben aber jedes Wort. Mittlerweile hat sich die Reichweite auf rund 300 Kilometer verringert - wohlgemerkt nach cirka 50 Kilometern hirnlosem Auskosten der Elektropower. Das war abzusehen. Beruhigen wir uns lieber wieder. Auch im Normalbetrieb überzeugt der Tesla vollends, liegt satt auf der Straße und glänzt mit tollem Komfort. Vor allem die Lenkung hat es uns angetan - sie reagiert wunderbar direkt und präzise. Auch die Bremserei patzt nicht - meist reicht aber schon die bloße „Gas“-Wegnahme für ordentliche Temporeduktion. Rekuperation nennt man das im Fachjargon. Mittlerweile hat sich der Adrenalinspiegel wieder ein wenig normalisiert. Der Tempomat unterbindet instinktive Zuckungen des rechten Fußes recht wirkungsvoll. Wir nutzen das geringe Verkehrsaufkommen um uns im Auto umzuschauen. Hinterm Lenkrad befindet sich ebenfalls eine Digitalanzeige. Komischerweise zeigt hier die Reichweitenanzeige einen höheren Wert als auf dem Mitteldisplay an. Wir richten uns lieber nach dem niedrigeren Wert und widerstehen der Verlockung uns surfend ins Internet zu begeben. Das funktioniert nämlich auch während der Fahrt wie bei einem normalen PC oder Tablet, sollte allerdings nur vom Beifahrer benutzt werden. Schließlich ist es auch wesentlich interessanter sich auf das Verkehrsgeschehen rundum zu konzentrieren. Die Reaktionen der anderen Autofahrer sind nämlich teilweise recht witzig. Man wird angeglotzt, angehupt und an der Ampel mit Fragen bombardiert. Am lustigsten sind aber die meist erfolglosen Versuche dem Tesla beim Hochbeschleunigen zu folgen. Da verhungern sie fast alle. Egal ob ein dicker Diesel oder ein Benziner unter der Haube steckt. Beim Tesla steckt - zumindest sichtbar - nichts unter der Haube. Der riesige Akkupack (85 kw/h) ist schwerpunktsenkend unterflur installiert, er wiegt alleine satte 800 Kilo. Der potente Elektromotor wütet über der Hinterachse. Unter dem Front- und Heckdeckel befindet sich jeweils ein brauchbarer Kofferraum - hinten auf Wunsch auch mit ausklappbarer gegen die Fahrtrichtung montierter Sitzbank für die Kinder. Man sollte dann allerdings nicht auf die nötigen Speibsackerl vergessen, sonst ist die schöne Tapezierung schnell versaut. Tja, und wie steht's jetzt wirklich mit der Reichweite? Unsere Überstellungsfahrt nach Linz war trotz teilweise etwas pubertärer Fahrweise nie in Gefahr. Irgendwann beschränkt man sich halt auf wenige „absolut notwendige“ Vorgänge, wie zum Beispiel Überholvorgänge oder das Ausbeschleunigen von lästigen Panameras. Danach verbringt man sein Leben mit Tesla in wunderbarer Ruhe und erntet Reichweiten von realistischen 250 Kilometern, was angesichts der Konkurrenz schlicht sensationell ist. Geladen haben wir den Model S in unserer elftägigen Testphase natürlich auch. Ob´s zuhause an der Haushaltssteckdose auch funktioniert, sollte man allerdings vorher ausprobieren - so ein Tesla saugt nämlich gehörig was runter und braucht demensprechend groß dimensionierte Zuleitungen. Potentielle Tesla-Eigner wird das nicht stören, die haben sicher eine eigene Schnellladesäule in der beheizten Mehrfachgarage. Fazit Deutschlands Paradehersteller werden von der kleinen Firma Tesla ordentlich vorgeführt. Während die deutschen Stromer allesamt aufgrund deutlich geringerer Akkuleistung bei rund 150 Kilometern WO geben - dort wird aber auch mehr auf´s Gewicht geschaut - hat man im Tesla Model S noch immer gute 100 Kilometer mehr im Talon. Angesichts der gebotenen Leistung, der perfekten Verarbeitung und des unerreicht hohen Coolness-Faktors finden wir auch den Kaufpreis des Testwagens von über 120.000 Euro durchaus angemessen. Und außerdem gibts den Model S auch mit 300 PS bereits ab wohlfeilen 60.000 Euro. Sollen doch die Chinesen S-Klasse fahren! Wir lieben Tesla! Mehr Infos gibts auf www.fahrfreude.cc
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